Repräsentation von Arbeiter:innen am Wiener Vorstadttheater in der Mitte des 19. Jahrhunderts
Niederwimmer, Lisa
Repräsentation von Arbeiter:innen am Wiener Vorstadttheater in der Mitte des 19. Jahrhunderts
Vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Zahl an Arbeiter:innen Mitte des 19. Jahrhunderts untersucht das Dissertationsprojekt wie diese zentrale historische Gruppe Marginalisierter an den Wiener Vorstadttheatern repräsentiert wurde. Erste stichprobenartige Untersuchungen zeigen, dass in Possen oder Lebensbildern dieser Phase (1840-1867) die Tätigkeitsbeschreibung „Arbeiter“ oder „Arbeiterin“ nicht nur Statist:innen, sondern auch Neben- und Hauptfiguren zugewiesen wurde. Wiederkehrende Motive in den Theaterstücken sind u.a. die Überwindung gesellschaftlicher Gegensätze durch den sozialen Aufstieg eines:r Arbeiters:in mittels Heirat mit einer sozial höherstehenden Figur, oder die Schilderung beispielhafter Arbeitsbedingungen in Fabriken. Dabei wird in erster Linie die Wohltätigkeit der Fabrikanten hervorgehoben und von Arbeiter:innen-Gruppen oder einem:r Stellvertreter:in affirmiert. Auf Ebene der Theatertexte untersuche ich die Etablierung und Entwicklung des Arbeiter:innen-Begriffs und eruiere dominante Narrative. Die Analysen fokussieren auf dramaturgische Funktionen von Arbeiter:innen-Figuren oder Statist:innen, die den Arbeiter:innen zugestandenen Handlungsräume, sowie Vorstellungen von Gemeinschaft und wie diese Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit markieren. Über produktions- und rezeptionsseitiges Material wie Soufflier- oder Regiebücher, Kostüm- oder Bühnenbildentwürfe, Rezensionen, Zensurakte, Korrespondenzen und Aufzeichnungen beteiligter Künstler:innen, finden Annäherungen an die Aufführungsebene statt. Da die Theatertexte nicht nur von Autor:innen geschrieben, sondern von Direktionen angenommen, von der Zensur bewilligt, von Theaterpersonal aufgeführt, und von Rezipient:innen affirmiert, akzeptiert oder kritisiert wurden, gewähren sie einen Einblick in Perspektiven, Erwartungshaltungen und Wahrnehmungsgewohnheiten diverser Akteur:innen, die in unterschiedlicher Ausprägung Anteil an der theatralen Repräsentation von Arbeiter:innen hatten. Ziel des Projekts ist es, Muster historischer Inklusions- und Exklusionspraxen anhand von Theater sowie dessen Beitrag zur Aufrechterhaltung hegemonialer Strukturen zu erkunden.