Was der Stein erzählt

Autor(en)
Carmen Sippl
Abstrakt

Der Titel von Brendan Wenzels Bilderbuch Der stille Stein (2019) benennt die Hauptfigur und die Handlung: ein Stein, der still an einem Ufer liegt. Wie verändert diese materielle Perspektive die Wahrnehmung der im Bilderbuch dargestellten Natur-Kultur-Verhältnisse? Welche Wissensformen bringt eine solche Erzählweise hervor? Die kulturökologische Lektüre dieses Bilderbuchs fokussiert die biosemiotischen Interaktionen des Steins mit nicht-menschlichen Akteuren wie Tieren, Wasser, Gras und Dreck. Aus der Sicht des Material Ecocriticism untersucht dieser Beitrag das narrative Potenzial von Bilderbüchern für eine Poetologie des Wissens. Als multimodale Ensembles, die aus mindestens zwei semiotischen Systemen, Text und Bild, bestehen, verfügen Bilderbücher über eine Vielzahl von diskursiven Möglichkeiten, um nicht-menschliche Geschichten als „storied matter“ zu erzählen. Dies wird in einem kurzen Vergleich mit den verbalen und visuellen Codierungen in Alexandra Helmigs und Stefanie Harjes’ Bilderbuch Der Stein und das Meer (2020) gezeigt, das die Geschichte eines Steins mittels Anthropomorphisierung erzählt. In beiden Beispielen unterläuft der Stein als Figur in Raum und Zeit den anthropozentrischen Blick. Bilderbücher weisen, wie die kulturökologische Lektüre zeigt, ein wissenspoetologisches Potenzial für ökologische Diskurse auf, dessen Erforschung im Rahmen einer Ästhetik des Anthropozäns der Bilderbuchforschung ein neues Feld eröffnet.

Organisation(en)
Institut für Slawistik, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft
Journal
Jahrbuch der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung
Band
2022
Seiten
104–113
Anzahl der Seiten
10
DOI
https://doi.org/10.21248/gkjf-jb.92
Publikationsdatum
12-2022
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
602003 Allgemeine Literaturwissenschaft
Link zum Portal
https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/23284e9c-4859-4d12-b2ae-592dd55b9a5b