Nachruf auf Elisabeth Büttner (1961–2016)

Von Andrea B. Braidt 


Die Gesellschaft für Medienwissenschaft e.V. trauert um ihr ehemaliges Vorstandsmitglied Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Büttner M.A. Sie ist am 28. Februar 2016 nach langer Krankheit verstorben.

Elisabeth Büttner wurde am 30.12.1961 in Würzburg geboren. Nach der Schulzeit in Genf studierte sie Theater- und Filmwissenschaft, Germanistik und Linguistik an der Universität Wien und der FU Berlin, an der sie mit einer Arbeit zu Johan van der Keuken spondierte. 1996 promovierte sie ebenfalls an der FU Berlin mit der viel beachteten Dissertation „Projektion. Montage. Politik. Die Praxis der Ideen von Jean-Luc Godard (Ici et ailleurs) und Gilles Deleuze (Cinéma 2).“ Das Denken und das Kino als Praxis, diese doppelte Figur war zentral in Elisabeth Büttners Forschungs- und Kinoarbeit, insbesondere auch in der von 1990 mit Christian Dewald gemeinsam gegründeten Kooperative „das kino coop“, welche sie als wissenschaftliche Leiterin betrieb. Als solche verantwortete sie mit Christian Dewald die beiden im Auftrag des österreichischen Wissenschaftsministeriums, der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes sowie der Österreichischen Nationalbank durchgeführten langjährigen Forschung- bzw. Buchprojekte „Anschluss an Morgen. Eine Geschichte des Österreichischen Films von 1945 bis zur Gegenwart“ (1997) und „Das tägliche Brennen. Eine Geschichte des österreichischen Films von den Anfängen bis 1945“ (2002). Dieses Opus Magnum, mittlerweile zum Standardwerk der österreichischen Filmgeschichte avanciert, war auch grundlegend für ihre Habilitation, mit der sie 2005 die Venia Docendi für das Fach Theater-, Film- und Medienwissenschaft erhielt. Elisabeth Büttner schrieb hier nicht nur Kinogeschichte neu, sondern entwickelte eine komplexe und umfassende Theorie der Filmgeschichtsschreibung, die, obgleich eng am Material entwickelt, niemals in positivistische Chronologie mündete, sondern immer nur im Zusammenhang mit theoretischer Überlegung geleistet wurde. Für ihre umfassende und stets auch politisch formulierte Forschungstätigkeit erhielt Elisabeth Büttner – gemeinsam mit Christian Dewald – den „Großen Victor Adler Staatspreis für Geschichte sozialer Bewegungen“. Nach einer Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum erhielt Elisabeth Büttner den Ruf zur ersten Professorin für Filmwissenschaft an einer österreichischen Universität und trat am 1. September 2007 die Professur “Theorie des Films” am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien an.

Die Energie, mit der Elisabeth diese – gänzlich neu ausgeschriebene – Professur konzipierte und mit der sie diese Professur bis zu ihrer Erkrankung füllte, war beispiellos. Mit unglaublicher Verve baute sie den am Institut neuen Fachbereich für Filmwissenschaft auf, traf weitsichtige Personalentscheidungen, unterrichtete tausende Studierende, betreute zahllose Qualifikationsarbeiten. Nach nur einem Jahr wurde Elisabeth zur Institutsleiterin gewählt und sah sich als solche vor der Aufgabe, das Institut in seiner Gänze neu zu konsolidieren: innerhalb von nur drei Jahren waren alle vier Professuren am Institut neu besetzt – und neu denominiert – worden. Mit scharfem analytischem Verstand und höchster menschlicher Integrität gelang es Elisabeth, die so unterschiedlichen Interessenlagen zusammen zu führen. Trotz oder vielleicht gerade wegen der ihr so eigenen Beharrlichkeit, schaffte sie die Herstellung eines Gleichgewichts der Fächer Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Nicht durch die Auflösung von Unterschieden, sondern durch die Respektierung disziplinärer Grenzen und die Profilierung der Schwerpunkte der Kollegen und Kolleginnen konnte das Institut unter ihrer Leitung zusammenwachsen. Ein Prozess, der so mühevoll wie notwendig war, stand doch auch eine Umstellung des Diplomstudiums auf das Bologna-konforme zweigliedrige Bachelor- und Masterstudium an, welches auch Elisabeth maßgeblich mitzutragen hatte.

Als erste Professorin für Filmwissenschaft an einer österreichischen Universität und als Institutsvorständin des mit 4000 Studierenden größten theater-, film- und medienwissenschaftlichen Instituts im deutschen Sprachraum standen neben den inneruniversitären Aufgaben auch internationale Verpflichtungen an. Um die Filmwissenschaft an der Universität Wien nachhaltig zu etablieren, war es Elisabeth ein Anliegen, die österreichischen Interessen in der Gesellschaft für Medienwissenschaft zu vertreten. Sie kandidierte im „Umbruchjahr“ der Gesellschaft für den Vorstand und wurde 2007 zur 2. Vorsitzenden gewählt. Mit den anderen Vorstandsmitgliedern brachte Elisabeth Büttner all die richtungsweisenden neuen Entscheidungen auf Schiene, welche die GfM bis heute prägen. Das neue Logo und die Homepage waren nur äußere Signale einer sich dem Grunde nach verändernden Fachgesellschaft, deren Mitgliederanzahl innerhalb von wenigen Jahren auf ein Vielfaches anwuchs. Gemeinsam mit dem Wiener Team holte Elisabeth Büttner die Jahrestagung 2009 der GfM nach Wien und schrieb das Thema „Welche Sinne machen Medien?“ als Call aus. Mit den Keynotes-Sprecherinnen Heide Schlüpmann und Mary Ann Doane setzte Wien ein klares Zeichen für eine feministisch engagierte Filmwissenschaft; mit den Tagungsorten Österreichisches Filmmuseum und Museum für moderne Kunst öffnete Wien das produktive Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Kunst für die Filmwissenschaft; mit der Präsentation der ersten Nummer der Zeitschrift für Medienwissenschaft in der orientalischen Partylocation „Aux Gazelles“ setzte Wien mit Elisabeth Büttner Standards der filmwissenschaftlichen Gastfreundschaft.

Ihr Tod erfüllt mich mit großer Trauer. Ihr Einfluss insbesondere im Gebiet der Filmgeschichtsschreibung sowie der Filmtheorie ist nicht zuletzt in den zahlreichen Diplomarbeiten, Masterarbeiten und Dissertationen zu lesen, deren Betreuung sie bis zuletzt vom Krankenbett aus in gewohnter Verbindlichkeit und Klugheit besorgt hat. Wir werden Elisabeth Büttners großartige Kollegialität vermissen, ihr unerschöpfliches Engagement für die Sache der Filmwissenschaft in so vielen Facetten, ihre scharfsichtige Intelligenz und ihr herzliches, unglaublich ansteckendes Lachen.

Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gelten ihren Freund_innen und ihrer Familie, insbesondere ihrem Partner Christian Dewald.

Andrea B. Braidt

(ehem. Vorstandsmitglied der GfM; Vizerektorin für Kunst und Forschung an der Akademie der bildenden Künste Wien)

 

Die Trauerfeier fand am Freitag, den 18. März 2016, um 15.00 am Wiener Zentralfriedhof statt.