Die wissenschaftliche Videothek des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien: Geschichte, Organisation, Technik
von Anton Fuxjäger (letzte Aktualisierung: 24.3.2020)
"Für eine richtige Arbeit an der Theorie des Kinematographen wäre es nötig, sämtliche Filme zu sammeln - oder wenigstens einige tausend. Man müßte sie klassifizieren. Sie lieferten das Material, das es uns gestatten würde, einige Gesetze festzustellen." Victor Sklovskij, 19231
Die Videothek des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft wurde als "wissenschaftliches audiovisuelles Archiv" konzipiert und aufgebaut. Sie dient der Bereitstellung von Untersuchungs- und Demonstrationsmaterial in Forschung und Lehre.
Geschichte
1986 wurde am damaligen Institut für Theaterwissenschaft (seit 1999: Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft) auf Initiative und unter der Leitung von Rainer M. Köppl mit dem systematischen und an professionellen Maßstäben orientierten Aufbau einer wissenschaftlichen Videothek begonnen. Im Rahmen einer interdisziplinären Kooperation mit dem Institut für Informatik der Universität Wien wurde das computergestützte Videoerfassungs- und Entlehnsystem "VIVIT" ("Videothek-Verwaltung des Instituts für Theaterwissenschaft") entwickelt, in dem ab 1988 die Sammlungsstücke katalogisiert wurden. Von 1991 bis 1994 hatte Otto Mörth die Leitung der Sammlung inne, die ich dann von ihm übernahm. 1995 wurde die noch unter MS-DOS laufende dBAse-Datenbank durch eine MS Access-Applikation ersetzt, die 2001 um eine Online-Recherchemöglichkeit erweitert wurde. Seit 2007 ist ein von Klaus Illmayer programmiertes vollwertiges Online-Recherche und Bestellsystem in Betrieb.
Die Katalogisierung wird durch eigens geschulte Tutoren bzw. Studienassistenten vorgenommen. Bis zum Jahr 2001 wurde auch die Entlehnung durch studentische Mitarbeiter abgewickelt, mit der Umstellung auf das Online-Bestellsystem jedoch an die Fachbereichsbibliothek Theater-, Film- und Medienwissenschaft abgegeben. Im Jahr 2007 wurde schließlich im Rahmen einer Berufungszusage ein eigener Planposten für die Sammlungsleitung geschaffen.
Sammlungsprofil
Das Sammlungsprofil der Videothek wird in erster Linie durch die Lehr- und Forschungspraxis am Institut bestimmt. Wesentliche Sammlungsschwerpunkte sind:
- Autorenfilm, früher Film, Independent Film, ausgewählte Mainstream-Produktionen für Kino und TV, Avantgarde- und Experimentalfilm, Videokunst,
- Ausgewählte, künstlerisch interessante Dokumentarfilme
- Sprech-, Tanz- und Musiktheateraufzeichnungen aller Art
- Dokumentationen zu theater-, film- und medienwissenschaftlichen Themen
Nur etwa ein Viertel des Bestands wird durch Ankäufe im Videofachhandel erworben. Der Ankauf erfolgt aus dem Budget der Fachbereichsbibliothek Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Benutzer der Videothek haben die Möglichkeit, Vorschläge für den Ankauf bestimmter Titel zu machen. Der "Wunschzettel" sollte den Titel des gewünschten Videos, Originaltitel, Produktionsland, Produktionsjahr, Sprache und Name des Bestellers enthalten und direkt an mich gesandt werden. Die Entscheidung über einen Ankauf des betreffenden Titels erfolgt in Kooperation mit der Fachbereichsbibliothek.
Den größeren Teil der Sammlung bilden jedoch selbst angefertigte TV-Aufzeichnungen, die zunächst auf VHS-Bändern angefertigt wurden, im Jahr 2004 erfolgte der Umstieg auf DVDs, seit 2019 werden neue TV-Aufzeichnungen auf Blu-ray Disks gespeichert.
Die Sammlung umfaßt derzeit (Juni 2023) rund 94.000 katalogisierte Dokumente auf ca. 26.000 DVDs, 7.300 VHS-Bändern und 2.100 Blu-rays. Der jährliche Zuwachs beträgt etwa 700 Disks (Blu-rays & DVDs) pro Jahr. In Gattungen ausgedrückt umfaßt die Sammlung zur Zeit
- 44.831 fiktionale Filme
- 13.340 Folgen von fiktionalen TV-Serien
- 2.290 Musikvideos
- 1.993 Musiktheateraufzeichnungen
- 1.782 Sprechtheateraufzeichnungen
- 681 Tanztheateraufzeichnungen
- 697 sonstige Theateraufzeichnungen
- 20.799 Dokumentationen
- 3.695 Interviews
- 931 TV-Shows
- u.a.
Katalogisierung
Die Katalogisierung der Sammlungsstücke dient vorrangig ihrer möglichst raschen Identifizierung und Auffindbarkeit und weniger einer film- bzw. mediographischen Datensammlung. Erfaßt werden daher in der Regel nur die Eckdaten der jeweiligen Produktion, genauer hingegen all jene Informationen, die der exakten Identifizierung der jeweils vorliegenden Fassung dienen. Ein eigens erstelltes genaues mediographisches Reglement soll eine konsistente Datenstruktur gewährleisten. Folgende Informationen werden eingegeben:
- Typ/Gattung des Dokuments ("fiktionaler Film", "Sprechtheateraufzeichnung" etc.).
- Titel, Originaltitel, Alternativtitel, Editionstitel, Vorlagentitel, Serien- und Folgentitel bei TV-Serien.
- Bei Theateraufzeichnungen werden stets der Autor, der Regisseur der Inszenierung und der Bildregisseur erfaßt, bei Musiktheateraufzeichnungen zusätzlich der Komponist, bei Tanzaufzeichnungen zusätzlich der Choreograph.
- Bei fiktionalen Filmen werden in jedem Fall die Funktionen "Regie" und "Drehbuch" eingegeben, ggf. auch Fassungsangaben ("Director's Cut", "viragierte Fassung", FSK-Freigabe etc.). Bei Filmen, die nicht in der Internet Movie Database enthalten sind, werden auch noch weitere produktionsbezogene Personeninformationen erfaßt.
- Bei Dokumentationen, Diskussionen und Interviews wird neben der Eingabe des Regisseurs bzw. Gestalters auch eine Verschlagwortung durchgeführt. Dabei erfolgt eine Zuordnung zu einem Sachgebiet (Theater, Film, Fernsehen, Computer, Philosophie etc.) und eine nähere Spezifizierung des Inhalts mit ca. 2-5 Schlagwörtern pro Dokument.
- Produktionsland und Erstaufführungsjahr.
- Sendungs- bzw. auflagenspezifische Informationen: gesprochene Sprachen, Sprache der Unter- und Zwischentitel, Bildformat, Tonformat, Farbe/SW, TV-Norm, Videosystem, DVD-Regionalcode, TV-Sender und Datum der Aufzeichnung bzw. Videoverlag und Erscheinungsjahr, Informationen zur Aufzeichnungsqualität, Länge des Dokuments.
Entlehnung
Zur Benutzung der Videothek berechtigt sind alle Besitzer eines gültigen Bibliotheksausweises der Universitätsbibliothek Wien. Die Videothek ist auch im Zeitalter von Videostreaming immer noch ein unverzichtbarer Teil der Infrastruktur des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, wie die ca. 1.200 Entlehnungen pro Jahr beweisen. Die Entlehnstatistik wird von folgenden Titeln angeführt:
[1] ''Das Sujet im Kinematographen'', in: Victor B. Sklovskij, Schriften zum Film, Ausgewählt u. übs. Alexander Kaempfe, Ffm: Suhrkamp 1966, S. 17-25, hier S.17.