Schon frühe Tonaufnahmen sind das Ergebnis bewusster, ästhetisch fundierter Entscheidungen, die sowohl durch die Sänger als auch durch den zuständigen Aufnahmetechniker getroffen werden konnten. Mithilfe von Rechercheergebnissen aus dem Archiv von Thomas Alva Edison in New Jersey/USA kann gezeigt werden, dass den Tonaufnahmen aus dem Hause Edison tatsächlich medienästhetisch begründete Entscheidungen des Firmenchefs und seiner Mitarbeiter zugrunde lagen. Alle SängerInnen hatten Edisons Vorstellungen in Bezug auf Vibrato, Klang, Natürlichkeit und Registerausgleich zu entsprechen, anderenfalls wurden sie von weiteren Tonaufnahmen ausgeschlossen. Was wir dann auf einer Platte hören, ist nicht die ,wahre‘ Stimme eines Sängers, sondern eine idealisierte Stimme, die den Edisonschen Selektionsprozess erfolgreich durchlaufen hatte, sprich: in seiner ästhetischen Werkstatt zurechtgezimmert worden war. Oder anders formuliert: Mediengeschichte ist Gesangsgeschichte ist Körpergeschichte.
Anhand Ihrer umfangreichen Archivfunde im Edison-Archiv in New Jersey stellt Karin Martensen (hfm Detmold) medienästhetische Entscheidungsprozesse aus der Frühzeit der Tonaufnahme vor und fragt nach den essentialistischen Grundierungen gegenwärtiger Klang- und Aufnahmevorstellungen.
Dr. Karin Martensen ist Leiterin des DFG-Projektes "Technologien des Singens. Untersuchungen zum Dispositiv Singen – Körper – Medien in der Frühzeit der Tonaufnahme" an der Hochschule für Musik Detmold/UNiversität Paderbor.