Theater des Expressionismus in Wien


Projektleitung: o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger
Mitarbeiterin: Mag. Regine Friedrich
Laufzeit: 01/2007–12/2009
Fördergeber: FWF


Projektbeschreibung:

Es gilt, eine Epoche des Theaters, die aus verschiedensten Gründen bisher nur geringe Beachtung fand, kritisch-analytisch aufzuarbeiten, vor allem aber auch darzustellen, warum dieser blinde Fleck der Forschung entstehen konnte. Das expressionistische Theater ist in seiner Wirkung durch politische, ökonomische und tradtionsbedingte Beschränkungen aus der Erinnerung weitgehend gelöscht, hat aber Fernwirkungen bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und muß als eine der künstlerisch bedeutsamsten Theaterepochen Wiens angesehen werden. 
Hier soll die erste zusammenfassende - das heißt, eine Vielzahl von Bühnen einbeziehende - Theatergeschichte des Expressionismus in Wien geleistet werden. Eine umfassende Erschließung und Sicherstellung des Archivmaterials im Zusammenhang mit einer kritischen Aufarbeitung der Forschungsliteratur soll einer Neudeutung des expressionistischen Theaters im Kontext der politischen Situation dienen und zur Entwicklung neuer methodischer Ansätze in der Theatergeschichte Wiens führen. 
Eine Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte der österreichischen und der bedeutendsten deutschen Dramen und Musikdramen des Expressionismus, sowie der stilprägenden Szenengestaltungen soll ein Bild von der Entfaltung des Stils in Wien bieten. Die Rezeption des expressionistischen Theaters findet - ähnlich wie die der Malerei - zwischen den Polen von >Apologie und Diffamierung< (Rainer Fuchs) statt. Dem Anspruch auf ethische und ästhetische Erneuerung, der vor allem in der Sozialdemokratie Widerhall findet, steht ästhetischer Konservativismus, Antisemitismus und Antiintellektualismus der politischen Konservativen und Rechten entgegen. Hier soll eine Chronik der Zensurverbote und Skandale, der Diskussionen um das politische Engagement der Dramatiker und ihrer persönlichen Fehden gegeben werden.
Weiters sollen die theoretischen Reflexionen der Theaterschaffenden, wie sie in den expressioni-stischen Zeitschriften Wiens dokumentiert sind, analysiert und der Reflexionsstand der Zeit kritisch hinterfragt werden. Die Aussagen zur gesellschaftspolitischen Funktion des Theaters, zu einer Poetik des Dramas, zu einer Theorie der Regie, des Bühnenbildes und den Mitteln der Darstellung, sowie zur Fragen des Gesamtkunstwerks sollen untersucht und damit das Klischee der Theorieferne der Österreicher im Gegensatz zum deutschen Expressionismus in Frage gestellt werden.
Die Dramatik soll hier von einem spezifisch theaterwissenschaftlichen Standpunkt analysiert werden, bei dem die Spielplangestaltung der Wiener Theater und die Bewertung der Themen aus Sicht der zeitgenössischen Kritik im Zentrum stehen. Die zentralen Themen des Expressionismus bestimmen auch die Spielpläne der Wiener Theater: Krieg und Revolution, der Generations-konflikt, der >Kampf der Geschlechter<, die Krise des Subjekts, die Frage nach der >messianischen Sendung< des einzelnen und nach dem Schicksal der Juden. 
Nach den isoliert bleibenden programmatischen Entwürfen eines expressionistischen Bühnen-kunstwerkes durch Kokoschka und Schönberg erfolgt auch in Wien am Ende des Ersten Weltkriegs der Durchbruch zum Expressionismus in Regie, Bühnenbild und den Mitteln der Darstellung. Hier gilt es, die einzelnen Aufführungen zu dokumentieren und einer stilkritischen Analyse zu unterziehen, um auf dieser Grundlage die Frage nach einem Gesamtbild des Stiles und seiner Entwicklung zu stellen. 
Die Resultate dieses Projekts sollen in den Beiheften zu Maske und Kothurn publiziert werden und in das geplante Internet-Portal für die Erforschung des österreichischen Theaters der Ersten Republik am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft integriert werden. 
Dieses Projekt will einen Beitrag zu einer Neueinschätzung dieses Abschnitts der österreichi-schen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, in dem Österreich auf künstlerischem Gebiet der Anschluß an die internationale Avantgarde gelang, leisten. Darüber hinaus soll die Erinnerung an die >jüdisch-österreichische Kultursymbiose<, die durch den weiteren historischen Verlauf zerstört wurde, wach gehalten und an den Verlust an schöpferischen Kräften, den Wien durch die Vertreibung bedeutender Theaterschaffender erlitten hat, erinnert werden.

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